Die Pilatusbahn

Berichterstattung von Herrn H.R. Lüthy-Pavan, Gestaltung von Franz Straka

Betriebseröffnung: 4. Juni 1889
Betriebslänge: 4,610 km
Stromart: 1.550 Volt Gleichstrom
Spurweite: 800 mm
Zahnstangensystem: Locher
Max. Steigung: 480 ‰
Elektrifikation: 15. Mai 1937

Besonderheit: Steilste Zahnradbahn der Welt!

Kaum ein Berg in der Schweiz spielt in der Literatur eine so grosse Rolle wie der Pilatus. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Zahl der Pilatusbesucher von Jahr zu Jahr. Als logische Folge dieses zunehmenden Tourismus errichtete im Sommer 1858 Bauherr Blättler von Rotzloch auf der Pilatushöhe das erste Berggasthaus „Bellevue“ und etwas weiter unten das Gasthaus „Klimsenhorn“.

Der typische Dampfzahnradtriebwagen der Pilatusbahn. Foto: SVEA-Slg

Grossbetrieb gab es schon im Zeitalter der Dampf-triebwagen. Talstation Alpnachstad. Foto: Slg. SVEA
Mit der fortschreitenden Technik tauchten auch Projekte zur Errichtung einer Bahn auf. Das „Bergbahnfieber“, das zum Beispiel am Rigi entstanden war, färbte auch für auf die Menschen am Pilatus ab. Für die nicht berggewandten Leute wollte man einen Pilatusbesuch ermöglichen. Aber als die Vitznau-Rigi-Bahn bereits im Bau war, kamen die Projekte (1870) mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Krise der 70er Jahre nicht zur Ausführung.

Ein Symbolfoto der Locher Zahnstange.
Foto: Sammlung Straka

Als die Rigi-Bahnen ( 1871 Vitznau-Rigi und 1873 Arth-Rigi) für grosses Aufsehen sorgten traten 1885 zwei Eisenbahnfachleute, Oberst Eduard Locher und sein Schwager Eduard Guyer-Freuler aus Zürich mit einem neuen Projekt an die Öffentlichkeit. 1886 bildete sich in Luzern eine Gesellschaft aus Politikern und Industriellen (u.a. der Eisenbahningenieur J.A. Strupler). Die geplante Trasse konnte nur deshalb so außergewöhnlich steil angelegt werden, weil der Erbauer Oberst Eduard Locher ein neues Zahnradsystem anwandte, bei dem die Zahnräder horizontal liegend in die beidseitig in die Zahnstange gefrästen Zähne eingreifen. Schon im Frühjahr 1886 wurde mit dem Bahnbau begonnen und nach kaum zwei Jahren am 4. Juni 1889 offiziell dem Betrieb übergeben.

Unter so schwierigen Verhältnissen wie die Pilatusbahn war bis damals kaum eine Bahn gebaut worden. Die Unwegsamkeit und die Steilheit bis zu 480 ‰ erschwerten die Trassierung außerordentlich. Die Arbeiten an den Felsen der Eselwand, wo die Arbeiter an Tauen heruntergelassen werden mussten, waren besonders schwierig. Außerordentliche Anforderungen stellte die Natur des Berges nicht nur an die Organisation der Arbeiten sondern auch an die Logistik der Verpflegung (waren doch nebst 10 bis 20 Ingenieuren und Technikern bis zu 800 Arbeiter – wovon allein 60 Italiener – beschäftigt).
Für die Unterbringung der Handwerker in der Nähe der Arbeitsplätze wurden Baracken aufgestellt, in welchen 4 – 5 Mann auf Pritschen übereinander logierten. Mit den Arbeiten konnte – im Gegensatz zu anderen Bahnbauten – nicht an verschiedenen Stellen gleichzeitig begonnen werden, da keine Wege zum Transport des Materials vorhanden waren. Erst auf den nach und nach fertiggestellten Streckenabschnitten konnte mit zwei von der SLM-Winterthur gebauten Dampftriebwagen des Bauunternehmens der Materialnachschub besorgt werden.

Der elektrische Zahnradtriebwagen Nummer 22 der Pilatusbahn in Alpnachstad. ca 1945
Foto: W. Trüb/Slg. SVEA

Diese Triebwagen wurden mit einem Personenaufsatz bei der Betriebseröffnung von der Pilatusbahn übernommen. Da mit den damals bekannten Zahnradsystemen Abt und Riggenbach nur maximale Steigungen von 250 ‰ überwunden werden konnten, musste für die Pilatusbahn ein neues System gefunden werden, das durch Oberst Eduard Locher realisiert wurde. Dieses Locher'sche Zahnradsystem hat sich bis heute bestens bewährt. Wenn es nicht weiter verbreitet wurde, so sind daran die hohen Anlagekosten schuld. Für die angenehme Fahrt und die Betriebssicherheit wurde jedoch bis heute nichts Besseres ersonnen.


Der typische Dampftriebwagen der Pilatusbahn.
Foto: SVEA - Slg.
Von 1889 bis 1936 wurden insgesamt 11 Dampftriebwagen von der SLM Winterthur geliefert. Lokomotive und Personenwagen waren auf gemeinsamen Rahmen gesetzt und ruhten auf zwei Tragachsen, deren Rollen mit äußeren Spurkränzen der Führung des Wagens auf den Laufschienen mit 800 mm Spurweite dienten. Der Triebwagen Nr. 10 folgte im Jahre 1900 und die Nr. 11 im Jahre 1909 mit ganz unbedeutenden Abweichungen zu den Erstausführungen der SLM. 1898 wurde der Wagenkasten durch mehrere Doppelblattfedern speziell abgefedert.
Der Triebwagen Nr. 7, SLM - Betriebsnummer 561, stand 1889 auf der Weltausstellung in Paris als Werbeträger für die neue Pilatusbahn und natürlich als eigenständige Produktion der Winterthurer Lokomotivfabrik (SLM). Bei der Betriebseröffnung 1889 waren die Triebwagen BFhm 1 – 9 mit einem Fassungsvermögen von 32 Personen im Einsatz. Am talseitigen Ende war die Maschinenanlage mit querliegendem Kessel aufgebaut (Leistung 100 PS). Der Dampfdruck betrug 12 Atm. Die Fahrzeit für die auf einer Strecke von 4.610 m zu überwindenden Höhendifferenz von 1.695 betrug 70 – 80 Minuten (Fahrgeschwindigkeit im Mittel 4,4 km/h).

Mit Wiedereröffnung des Sommerbetriebes am 15. Mai 1937 konnte die Elektrifizierung der Bahn gefeiert werden. Diese konnte dank Subventionsbeiträgen aus dem Arbeitsbeschaffungskredit des Bundes realisiert werden. Anfänglich waren 8 rote Triebwagen (Fassungsvermögen 40 Personen; Motorenleistung 210 PS; 9,6 t schwer) von der Gemeinschaftsproduktion der SLM Winterthur und MFO Oerlikon im Einsatz. In den folgenden Jahren kamenzwei gleichgebaute Triebwagen dazu.


Dampftriebwagen Nummer 6 / ca. 1935.
Foto: W. Trüb/Slg. SVEA
Während die Bergfahrt auf 30 Minuten reduziert werden konnte betrug die Talfahrt ca. 40 Minuten, weil die Geschwindigkeit der jeweiligen Neigung angepasst werden mußte. Die unter dem Wagen angeordneten Bremseinrichtungen garantieren die Sicherheit der Fahrt. Für die Fahrleitung wurden feuerverzinkte Eisenmasten montiert. Die einzige Ausweichstelle auf Aemsigenalp ermöglichte gleichzeitige Berg- und Talfahrten. 1960 – genau 100 Jahre nach dem Bau – brannte das Berggasthaus Bellevue bis auf die Grundmauern nieder. 1963 entstand ein neues, modernes Restaurant. Seit 1964 ist auf der Bergstation die Gleiswendeplatte eingebaut, die sich horizontal dreht und den Weg nach rechts oder links freigibt. Von den 11 Dampftriebwagen sind nur zwei Exemplare der Nachwelt erhalten geblieben.

Der talseitige Dampfkessel des typischen Pilatus-Dampftriebwagens und seitlicher angebrachtem
SLM-Firmenschild. Foto: OeV 1964

Die Betriebsnummer 10 fand 1976 als Leihgabe im Deutschen Museum München eine neue Heimat. Die Nummer 9 wurde bis zum Jahre 1981 noch als Xhd ½ - Dampftriebwagen Nummer 9 für Diensttransporte und den Schneebruch im Frühling sowie für Sonderfahrten auf den Berg benutzt, bevor er dann dem Verkehrshaus der Schweiz übergeben wurde. Seit 1982 kann der Besucher auf einer speziell errichteten Treppe den Triebwagen seitlich bestaunen und von unten her die damalige Konstruktion bewundern. Es wird damit an die hervorragende Pionierzeit des Bergbahnzeitalters erinnert. Um nach ca. 5 Monaten Winterpause den Betrieb im April/Mai wieder aufnehmen zu können, müssen die Bahnanlagen nach wie vor in etwa dreiwöchiger Arbeit von den teilweise meterhohen Schneemassen freigelegt werden.

Auf Pilatus-Kulm ermöglichen Schneegalerien und geräumte Pfade, dass sich Besucher auch in den Frühjahrs- oder Spätherbstzeiten bewegen und die großartige Rundsicht erleben können (nach Norden über das schweizerische Mittelland zum Schwarzwald und zu den Vogesen oder über den imposanten Alpenkranz vom Säntis bis zu den Diablerets).

Bildlich dargestelltes Zahnradsystem von Oberst Eduard Locher. Foto: Direktion PB/Slg. SVEA

Mit dem Dampftriebwagen Nummer 9 fanden öfters Sonderfahrten statt. Kalenderbild aus der Sammlung SVEA

In wirtschaftlicher Hinsicht hat sich das wagemutige Unternehmen erfreulich entwickelt. Die durch den Bau von Seilbahnen auf der Nordflanke möglich gewordene Rundfahrt brachte eine merkliche Frequenzsteigerung. Jedes Jahr strömen die Touristen, vor allem Eisenbahnenthusiasten, an den Vierwaldstättersee, um von Alpnachstad weg mit der steilsten Zahnradbahn der Welt auf den Pilatus zu fahren.


Seit 1937 fahren moderne Elektrotriebwagen auf den Pilatus. Bild: OeV

Bergfahrt von Dampftriebwagen Nummer 9.
Bild aus einem alten Kalender: Slg. SVEA

Die bisherige Kreuzungsstation „Aemsigen“ wurde ab dem Sommerbetrieb 2006 zu einer offiziellen Haltestelle ausgebaut und wird von Wanderfreudigen rege benützt.

Quellen

Der öffentliche Verkehr Okt. 1964
SLM-Bulletins/MFO-Berichte
Angaben aus dem VHS Luzern/Fotos Slg. VHS/H. Hürlimann
Fotos: Sammlung SVEA

Text: H.R. Lüthy-Pavan
Gestaltung: Franz Straka
Dezember 2008