100 Jahre BERNINABAHN Rhätische-Bahn
Berichterstattung von H.R. Lüthy Pavan, Gestaltung von Franz Straka
Baubeginn: 16.7.1906
Spurweite: 1.000 mm
Betriebseröffnung: 1.7.1909 St. Moritz-Celerina
18.8.1908 Celerina-Pontresina
1.7.1908 Pontresina-Morteratsch
18.8.1908 Morteratsch-Bernina-Suot
1.7.1909 Bernina-Suot-Ospizio Bernina
5.7.1910 Ospizio Bernina-Poschiavo
1.7.1908 Poschiavo-Tirano
Streckenlänge: 60,68 km (davon 3 km in Italien)
Höchste Steigung: 70 ‰
Stromsystem: 750 V Gleichstrom/Umbau 1935 auf 1.000 V
2010 feiert die Rhätische Bahn (RhB) das 100-jährige Bestehen der Berninalinie. Mit gutem Grund; denn die Berninalinie hat seit der durchgehenden Inbetriebnahme 1910 nichts von ihrer Faszination eingebüsst. Dank des (seit 2008) UNESCO-Weltkulturerbes BERNINA-EXPRESSES gehört sie heute zu den weltweit bekanntesten Bahnlinien.

Die Lokomotive Ge 6/6 81 ca. 1920. Foto: VHS

Ge 4/4 81 nach Umbau ca. 1930. Foto: Archiv SVEA
Von der Planung zum Bau der Berninabahn
Als die Strasse über den Berninapass im 19. Jahrhundert ausgebaut wurde, plante und baute sie der international bekannte Alpenstrassen-Architekt Richard La Nicca (1794-1883). Zu dieser Zeit wurde auch der Postkutschenverkehr über den Berninapass eröffnet und bald machte man sich Gedanken darüber, wie man die lange Kutschenreise verkürzen könnte. Eine Bahnverbindung sollte die Sommertouristen schneller und bequemer an die Seen-Gletscher und Berggipfeln vorbeiführen.

Ge 4/4 82 als Verstärkungslokomotive im Einsatz vor dem TW Alp Grüm im Sommer 1959. Foto: HR Lüthy

ABe 4/4 37 Alp Grüm im Juni 1966. Foto: HR Lüthy
Auf der Nordseite folgte die Trasse entlang der Strasse bis zum Bernina-Hospiz, anschliessend via Alp Grüm nach Cavaglia-Cadera bzw. Poschiavo und längs des Kutschenweges nach Tirano. Der Bauentscheid für die Bahn war eng mit der Verwirklichung des Kraftwerkes Campocologno verknüpft, welches die elektrische Energie liefern sollte. Die englische Gesellschaft „General Water Power Ltd.“ trat, als Konzessionsinhaber auf, doch dies scheiterte infolge Finanzproblemen der Gesellschaft. Erst 1904, nach erneuten Anläufen zur Geldbeschaffung, gelang der Durchbruch. Dank der Energieabnahme von der lombardischen Baumwollindustrie wurde das Kraftwerk Brusio und damit der Bauentscheid für das Kraftwerk und die Berninabahn gefällt. So konnte am 15.9.1905 die private „Bernina-Bahngesellschaft (BB)“ mit Sitz in Poschiavo gegründet werden. Die Elektrizitätsgesellschaft Alioth Münchentein besorgte die Planung und Bauausführung mit der Aktien-Gesellschaft Alb. Buss & Cie. Basel.

Ge 2/2 161 "Eselchen" in Poschiavo im September 2000. Foto: HR Lüthy

ABe 4/4 45 bei Celerina im Jänner 2000.
Foto: HR Lüthy
Am 16.7.1906 fand der Baubeginn zwischen Pontresina und Morteratsch bzw. zwischen Poschiavo und Miralago statt. Die Oberbauleitung stand unter der Leitung von Dirk Nachemius (1860-1930), einem gebürtigen Holländer, der bis 1911 für die Alioth AG auch Direktor des Kraftwerkes in Brusio war. Es war vorgesehen die 60 km lange Strecke in drei Etappen bis 1910 in Betrieb zu nehmen. Den beiden Ingenieuren W. Siegrist und E. Bosshard gelang es, diesen Plan einzuhalten, obwohl zahlreiche Hindernisse mit Brücken und Tunnels bewältigt werden mussten. Auf der Südseite stand von 1907 bis 1909 eine G 3/3-Tramway-Dampflok (vormals Birsigtalbahn) als Baulok im Einsatz. In der Alp Grüm konnte aus klimatischen Gründen nur während weniger Sommermonate gearbeitet werden Als besonderes Bauwerk ging der Kreisviadukt von Brusio (780 m ü.M) hervor.

ABe 4/4 45 Bernina Hospiz im August 1969.
Foto: HR. Lüthy
Dieser war erforderlich damit die Bahn das vorgesehene maximale Gefälle von 70‰ nicht überschreiten musste. Geologische Gründe sprachen gegen einen vorgesehen Spiraltunnel, sodass man sich für die 360 Grad-Kurve mit 50-70m Radius in offener Bauweise (107m langer Viadukt) entschied. Die Baukosten und die Anschaffung der Fahrzeuge und Einrichtungen konnten im Rahmen des Voranschlages von 15 Mio-Franken abgerechnet werden. Finanziell beteiligten sich die Gemeinden entlang der Strecke besonders stark.
Geschichte der Berninabahn
Die Berninabahn wird als mit dem Bernina-Hospiz (2256 m ü.M) und der höchstgelegenen Bahnstation Europas besondere Adhäsions-Schmalspurbahn erwähnt. Ab Poschiavo-Miralago wird sie sogar als „Strassenbahn“ bezeichnet. Als Unternehmung mit rein touristischem Charakter musste die junge Berninabahn in den ersten Jahren ihres Betriebes ohne jegliche Subventionen der Schweizerischen Bundesregierung und des Kantons Graubünden auskommen.

ABe 4/4 III Nummer 56 in Alp Grüm im Jänner 2004. Foto: HR Lüthy

Doppeltraktion mit bernina-Express (2ABe 4/4 III) in Alp Grüm im November 2004. Foto: HR Lüthy
Als erste Teilstrecken konnten am 1.7.1908 die Abschnitte von Pontresina nach Morteratsch bzw. Poschiavo nach Tirano in Betrieb genommen werden. Die offizielle Eröffnungsfeier der durchgehend fertig gestellten Bahnlinie fand am 5.7.1910 mit einem grossen Volksfest sowohl im Engadin wie im Puschlav statt. Aufgrund der klimatischen Verhältnisse konnte der Betrieb nur im Sommerbetrieb gefahren werden. Als Rollmaterial standen der Bahn 10 Triebwagen BCe 4/4 1-10 von Schweizerischen Industrie-Gesellschaft Neuhausen (SIG) und Alioth AG Münchenstein zur Verfügung. Nummer 1- 10 in Pontresina stationiert, ebenso sechs Personenwagen (BC 101-106), zwei kombinierte Gepäck- und Postwagen (FZ 181-182) sowie 20 Güter- und Dienstwagen.1909 folgte bereits die erste Nachlieferung von vier BCe 4/4, vier BC und den Gepäcktriebwagen Fe 2/2 Nr. 51, neben acht weiteren Güterwagen. Die Betriebsart war 750 V Gleichstrom.
Die Berninabahn war für die damaligen Verhältnisse sehr fortschrittlich und zweckmässig eingerichtet (Kurvenradius nur 45 m, Steigung bis 70 ‰). Das touristische Interesse überstieg alle Erwartungen, sodass man bald versuchte, die Bahn auch für den Winter betriebsfähig zu machen. Vorerst mussten aber noch Lawinen- und Steinschlagschutzbauten entlang der Bergstrecke (1911-1915) gebaut werden. Die mit dem Winterbetrieb 1909/1910 auf der Nordseite zwischen St. Moritz und Bernina-Hospiz gemachten Erfahrungen veranlassten die Direktion der Berninabahn eine selbst fahrende Dampfschneeschleuder zu erwerben.

Bernina Express mit neuen panoramawagen unter Bernina-diavolezza, mit zwei ABe 4/4 im November 2004. Foto: HR Lüthy
Es wurden bei der SLM Winterthur zwei Maschinen bestellt (64 t; 7 m³ Wasser; 4 t Kohle). Die 2 x 3/3 1051 erreichte Anfang Dezember 1910 Pontresina, die zweite Maschine Nr. 1052 kam im Jänner 1911 dazu. Bis 1990 waren die, mit Nummer X-rot 9213 und 9214 bezeichneten, Maschinen zusammen im Einsatz. Mit der Beschaffung von elektrischen Schleudermaschinen wurde die X-rot 9214 ausrangiert und an die Blonay-Chamby-Museumsbahn abgegeben Die Besonderheit des Schleuderrades mit 2,50 m Durchmesser und die Liebe zur X-rot Nummer 9213 Dampfschneeschleudermaschine lockt noch nach 100 Jahren unzählige Enthusiasten und Bahnfans aus der ganzen Welt ins schöne Wintergebiet der Bernina.

Dampfschneeschleuder Xrot 9213 im winterlichen Einsatz. Foto: Minirex / Slg.SVEA
Im Winter 1913/1914 wurde der durchgehende Winterbetrieb (einschliesslich Postbeförderung) auf der Gesamtstrecke aufgenommen. Bald mussten aber, bedingt durch den 1. Weltkrieg (1914-1918) Einschränkungen im Reise- und Güterverkehr durchgesetzt werden und die fehlenden Einnahmen sorgten für eine ungenügende Liquidität, sodass man auf Zuschüsse der öffentlichen Hand (Postverwaltung/RhB und Armee) angewiesen war. Trotzdem wurde eine Serie neuer Güterwagen beschafft.

Brusio-Kreisviadukt Foto: RhB

Postkartenidyll von der Alp Grüm auf der neuen Berninalinie ca. 1910, Slg. P. Lüthy
Mit dem Entschluss, den Verkehr das ganze Jahr über aufrechtzuerhalten wurde 1914 bei der SLM/BBC die Ge 6/6 81 bestellt, die aber mangels Rohstoffen während der Kriegsjahre erst 1917 in Betrieb genommen werden konnte. Der erst der Mitte der 20er Jahre eingetroffene Konjunkturaufschwung sicherte das Überleben der Berninabahn. 1926 wurde die Ge 4/4 Lok Nr. 82 (mit Federantrieb) von SLM/Sécheron Genf (SAAS); 600 PS; 45 t; 45 km/h) bestellt und 1928 abgeliefert. Als sogenanntes „Bernina-Krokodil“ wurde sie für die Führung von Schnellzügen von St. Moritz nach Tirano eingesetzt. Gemeinsam mit der Mitropa, die sich für den Betrieb der Speisewagen kümmerte, bestellte die Bahn 1927 bei der SWS Schlieren zwei Speisewagen (B4ü 161-162) welche ab 1928 eingesetzt wurden. In die gleiche Zeitspanne fiel die Einführung der „Aussichtswagen“, welche aus Hochbordwagen umfunktioniert wurden und noch heute beim Publikum beliebt sind.

Postkartenidyll auf der neueröffneten Berninabahn 1910 Foto: Slg. P. Lüthy
Dafür wurden zwölf Wagen umgebaut. Die bald darauf folgende Weltwirtschaftskrise zwang die Bahn ab 1931 zur Reduktion ihrer Einsätze und der 2. Weltkrieg (1939-1945) riss ein weiteres grosses Loch in die Finanzen der Bahn. Erst die Betriebsgemeinschaft mit der RhB und die danach folgende Bahnfusion (rückwirkend mit 1.1.1943) garantierten der Berninabahn ihre Zukunft. 1946-1951 wurden diverse alte Triebwagen umgebaut und den technischen Neuerungen angepasst.
Grosse Investitionen betrieb seither die RhB für Trasse und Schutzbauten gegen die Naturgewalten. Ein besonderer touristischer Boom sowie die stets wachsenden Gütertransporte forderten auf der Berninanlinie einen besonderen Einsatz, sodass auch das Rollmaterial entsprechend angepasst werden musste. Bereits 1935 hatte man die Betriebsspannung von 750 V auf 1000 V erhöht und die Fahrleitungsanlagen saniert. Auch der automatische Streckenblock hielt Einzug auf der ganzen Linie. Verschiedene Triebfahrzeuge und auch diverses Rollmaterial wurden in den Nachkriegsjahren umgebaut. 1964-1965 folgten von den Firmen SWS/MFO/SDAAS die neuen roten Triebwagen ABe 4/4 41-46. 1972 die Triebwagen Nummer 47-49.

Die historischen Berninatriebwagen - Triebwagen BCe 4/4 30 u 34 mit RhB-Salonwagen auf Extrafahrt in Miralago, 2004, Foto: P. Lüthy

Zweikraftlok Gem 4/4 801 u alter Triebwagen samt Schneepflug vor Depot Poschiavo im September 2005. Foto: H.R. Lüthy
1968 beschaffte die Bahn die Zweikraftloks Gem 4/4 801-802 (SLM/SWS/BBC; 50 t). Gleichzeitig wurde die Ge 4/4 181 (umgebaut von Ge 6/6) an die Museumsbahn Blonay-Chamby verkauft. Die Ge 4/4 182 wurde 1977 ausrangiert und an die La Mure-Bahn in Frankreich verkauft, wo sie nicht eingesetzt werden konnte aus diversen Gründen. Ein Initiativkomitee für das Bahnjubiläum 100 Jahre Berninabahn (Club 1989) holte das „Bernina-Krokodil“ im Jahre 2000 wieder zurück und es wird zurzeit restauriert.
Der Ski- und Wandertourismus (Berninagebiet/Lago Bianco)mit den 1956 (Diavolezza) und 1963 (Lagalp) eröffneten Seilbahnen hatten der Bahn grosse Frequenzzunahmen und der Region neue Impulse gebracht. Um die gesteigerten Fahrgastzahlen zu bewältigen wurden in den Jahren 1988-1990 die modernen Drehstrom-Motortriebwagen ABe 4/4 III Nummer 51-56 (SWP Pratteln/SIG/ABB) sowie dazu passendes modernes Wagenmaterial angekauft. Die Triebwagen erfüllen ein beeindruckendes Pflichtenheft (95 t Anhängelast über 70 ‰ Rampe), wobei die von Thysistoren gespeisten Drehstrom-Asynchronmotoren auch bei extremen Temperaturen ihre Leistungen erreichen. Seit 1969 hat der weltberühmt gewordene Bernina-Express Einzug gehalten und wird seit 1973 mit durchlaufenden Wagen von Chur nach Tirano geführt, dessen Wagenmaterial stets auf den neusten Stand gebracht wird. Seit 1993 ist mit dem Bus-Anschluss in Tirano nach Lugano der Bernina-Express nochmals aufgewertet worden.

Die gelbe Farbe der Berninabahn 1910, Triebwagen Nummer 5 im Tiefschnee auf dem Bernina-Hospiz. Bild: Slg. RhB

Berninabahn unterhalb Palü Gletscher, eine der schönsten Bergkulissen    Foto: H. Trösch
Wenn man heute den gelben Nostalgiezug sieht (Triebwagen Nr. 33 bzw. den 2-achsigen Personenwagen) und daneben den modernen Bernina-Express mit den hochmodernen klimatisierten Panoramawagen wird es einem bewusst, welche Modernisierung im gesamten Wagenpark die Bernina-Strecke mit sich gebracht hat. Möge die Berninabahn noch viele Jahre ihre tolle Ausstrahlung beibehalten können.

Routentafel des legendären "Bernina-Express
Events zum 100 Jahr-Jubiläum 2010

8./9.05.2010 Frühling in Tirano.
Thema: Spitzenbahn

18.-20.06.2010 Sommer im Valposchiavo.
Thema: Festbahn / Jubiläumsbahn

18./19.09.2010 Herbst in Pontresina.
Thema: Wanderbahn

Gemälde der Künstlerin Evelyne Straka

Mit einem Klick auf das Bild, erscheint dies Grösser. Gemälde von Evelyne Straka
Sollten Sie Fragen haben zu diesem Bild, schreiben Sie uns wir werden Ihr E-Mail an die Künstlerin weiterleiten: railway-media-group@telering.at

Quellen

-Das große Buch der RhB/Viafer-Verlag (Div. Autoren)
-Henning Wall „Bernina“ vom Engadin ins Veltlin/Verlag Schweers+Wall
-Diverse Berichte aus dem Eisenbahn Amateur div. Jahrgänge
-VHS u SVEA-Fotoarchiv
Berichterstattung von HR Lüthy
Gestaltung von Franz Straka
Februar 2010