Davos – Filisur (100 Jahre alt) /
Rhätische Bahn |
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Berichterstattung Hans Rudi Lüthy-Pavan, Gestaltung von Franz Straka |
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Baubeginn: September 1906 |
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Mehr als 20 Jahre blieb Davos eine Endstation der Rhätischen Bahn (RhB) . Nachdem für die Davoser die Hoffnung auf eine Scalettabahn und somit den direkten Anschluss in den Süden nicht in Erfüllung ging, versuchten sie, dies mit einer andern Linie zu verwirklichen. Holsboer's Gedanke für eine Bahn von Davos bis Chiavenna zu bauen, wurde mit dem Projekt für den Anschluss an die entstandene Albulalinie ins Auge gefasst. Allerdings waren die Aussichten dafür nicht gut, weil wegen 4 Mio. Franken Kostenüberschreitungen beim Albula das weitere Investieren in Eisenbahnen vorerst aufgeschoben wurde. |
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Die G 4/5-Dampflok war auch dann und wann - heute für Sonderfahrten - auf der Strecke Davos-Filisur im Betrieb. Foto: VHS/Slg. SVEA |
Winter in Filisur: Ge 4/4 I 603 (noch in alter Ausführung) im Januar 1968 Foto: H.R. Lüthy |
Um den gehegten Wunsch doch noch in die Realität umzusetzen, bedurfte es der Anstrengung der Davoser, die es verstanden, mit Andreas Laely an der Spitze, die ersten Mittel bereitzustellen, die notwendig waren, um bei Kanton und Bund vorstellig zu werden. Am 6. Dezember 1903 wurde in der Kirche St. Johann eine Landsgemeinde einberufen, wobei über die Beteiligung von 1 Mio. Franken abzustimmen war zugunsten einer Bahnlinie durch die Zügenschlucht. Mit 358 Ja gegen 101 Nein Stimmen wurde dem Antrag zugestimmt. Dem Beispiel der Davoser folgend, zeichneten weitere Gemeinden und auch Private. |
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Galerie des Eistöbeli-Tunnels mit dem anschliessenden Schmelzboden-Viadukt und einem Regionalzug mit Ge 6/6 I (Krokodil) Foto: RhB/Slg. SVEA |
Die Linie Davos – Filisur gehört zu den schönsten und kühnsten Werken der RhB . Wer das Tal der „Zügen“ kennt, kann sich vorstellen, dass diese wild zerklüftete Landschaft hohe Anforderungen an die Ingenieure stellte. Unter den 8 Brücken ist der Wiesner-Viadukt als Wunderwerk der Technik noch heute zu bestaunen. Das 210 m lange Bauwerk hat sechs Oeffnungen von je 20 m und einen Hauptbogen von 55 m Weite bei gleichzeitiger Höhe von 88 m über dem Fluss. Dem Brückenbau lag einer Skizze von Friedrich Hennings – der 1903 zum Professor für Strassen- und Eisenbahnbau an der Technischen Hochschule in Zürich berufen wurde - zugrunde. Die Berechnungen und auch die Bauführung besorgte Hans Studer. Baubeginn war am 4. Juni 1907 (Fa. Froté, Westermann & Cie. Zürich). Grosse Bewunderung bezeugten Fachleute und viele interessierte Personen am Lehrgerüst, das Richard Coray aus Trin, zusammen mit seinen Zimmereifachleuten, nach Plänen von Obering Marasi errichtete. |
Die benötigte Holzmenge wird mit 494 m3 angegeben. Im Verlauf des Jahres 1907 erzwang ein plötzlicher Mangel an Arbeitskräften die Erhöhung der Löhne. Die Baufirma geriet in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten und musste die Arbeiten einstellen. Nach der Wiederaufnahme der Arbeiten 1908 durch eine neu gegründete Firma Davos-Filisur AG können unter der Leitung von Chefingenieur Marasi alle Vertragsarbeiten bis Ende 1909 vollendet werden. | |
G 3/4-Dampflok kurz nach der Eröffnung Davos-Filisur 1909. Foto: VHS/Slg. SVEA |
Auch die G 2/3+2/2 Nr. 32 (Baujahr 1908 SLM Winterthur) stand im Einsatz zwischen Filoisur und Davos. Foto: VHS/Slg. SVEA |
Die Baukosten für den Wiesner Viadukt wurden mit 324.000.- Franken berechnet. Bei den damaligen Ingenieuren löste der imposante Viadukt Aufsehen und Anerkennung aus. Die Brücke könnte heute weder besser noch schöner gebaut werden und ist zu einem beliebten Fotostandort bei Sonderfahrten geworden. Für die Touristen montierte man an der Seite des Viadukts einen Gehsteig, damit der Fussgänger in aller Ruhe in die 88 m tiefe Landwasserschlucht hinabschauen kann, auf der notabene grössten Steinbogenbrücke Europas und noch dazu in der Nähe des UNESCO-Weltkulturerbes. |
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Die Strecke Davos bis Schmelzboden verläuft anfänglich rechts des Landwassers, wechselt dann auf die andere Seite bis Schmelzboden. Alle Bauarbeiten standen unter Leitung von Ingenieur Peter Saluz. Bis hierhin erwies sich das Gelände für den 1906 durch die Firmen Battarelli Davos (Davos-Platz-Glaris) und die Firma Froté, Westermann & Cie. Zürich (Glaris-Filisur) begonnenen Bahnbau als problemlos, während ab Schmelzboden bis Wiesen viele Kunstbauten (Tunnels, Viadukte, Dämme) erforderlich waren, um die Gefahren der Zügenschlucht zu bannen. |
G 3/4 Dampflok kurz nach Betriebseröffnung auf dem Cavja-Viadukt (131 m lang) zwischen Wiesen und Filisur. Foto: VHS/RhB/Slg. SVEA |
Der Fels hier war gut beschaffen, sodass es bei den Bohrungen keine Schwierigkeiten gab. Um den zahlreichen Lawinenzügen auf dem Abschnitt zwischen Glaris und Monstein auszuweichen, wurde die Linie an zwei Stellen in Tunnel verlegt. Ein weiteres bedeutendes Bauwerk bildet der Brombenz-Viadukt (43,5 m lang, 22,5 m hoch), auch ein beliebter Fotostandort auf der Strecke. | |
Der Brombenzviadukt in der Zügenschlucht im Bau. Foto: RhB/Slg. SVEA |
Zügenschlucht bei Wiesen mit einer von St. Moritz kommenden G 4/5-Dampflok Foto: VHS/RhB/Slg. SVEA |
Für die Betriebseröffnung 1909 bestellte die RhB bei der SLM Winterthur zwei weitere Mogul-Dampfloks G ¾ Nummern 15 u 16, die mit den G ¾ Nummer 1-14 identisch sind. Bei der Waggonfabrik Rastatt (Deutschland) werden neue zweiachsige Wagen beschafft. Am 27. Juni 1909 feierten die Gemeinden entlang der Linie Davos – Filisur „ihre“ Bahnlinie. Wegen der 35 ‰- Steigung mussten starke Dampflokomotiven (Mallet und Schlepptenderdampfloks G 4/5) eingesetzt werden. Diese Maschinen hatten den Vorteil, dass ihre Brennstoff- und Wasservorräte in den Stationen zwischen Filisur und Davos-Platz nicht ergänzt werden mussten. In Davos-Platz wurde nebst Vergrösserung der Stationsanlage eine neue grössere Drehscheibe (15 m Durchmesser) eingebaut. In Filisur entstand 1909 eine kleine Anlage zum Unterhalt von Dampflokomotiven sowie eine grosse Drehscheibe und Wasserkran, z.T. schon von der Albulalinie vorhanden. Die Züge verkehrten fortab teilweise direkt von Landquart über Davos bis Filisur, ein Schnellzug sogar bis St. Moritz, allerdings nur bis zum Ersten Weltkrieg. Die markante Erhöhung der Brennstoffpreise zwang die RhB ihre Zugleistung drastisch einzuschränken. |
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Der im Bau befindliche Wiesner Viadukt mit 210 m Länge und 88 m über dem Landwasser galt als besonderes Baukunstwerk mit dem ca. 1908 von Rich. Coray erbauten Holzgerüst. Foto: RhB/Slg. SVEA |
Die Elektrifizierung am 22. Dezember 1919, ausgeführt und betreut durch die Firma Baumann, Kölliker & Cie. Zürich brachte zwar eine wesentliche Betriebserleichterung, aber die Fahrgäste dazu fehlten. So verkehrten im Jahre 1920 nur vier Zugspaar durch die Zügenschlucht, meist von einer Ge 4/6 (Baujahre 1913/14) gezogen. Mit dem berühmte „RhB - Krokodil“ konnten 1926 im Fahrplan wieder 6 Zugspaare angeboten werden, die fast alle von Landquart her durchliefen. Die Anschaffung der letzten fünf C'C‘-Lokomotiven mit den Nummern 413-419 ( 1929 ) war erst durch den Verkauf der Schlepptenderdampfloks an Bahnen in Drittstaaten möglich. Auch im Zweiten Weltkrieg 1939 – 1945 mussten die Fahrleistungen wieder eingeschränkt werden. |
Dank neuem Rollmaterial konnte die Fahrzeit anfangs der Fünfziger-Jahre reduziert werden und die betagten Ge 4/6-Lokomotiven von der Zügenlinie abgezogen und durch „RhB-Krokodile“ ersetzt werden. Ab 1947 war auch die Ge 4/4 I (Bo'Bo‘) der Serie 601-610 auf der Linie Davos-Filisur anzutreffen, gleichzeitig mit den 4-achsigen Stahl- und Leichtstahlwagen. Am 16. Januar 1951 mit Rekordschneefall (Höhe 240 cm!), gingen in Davos-Mondstein praktisch zur gleichen Zeit 3 Staublawinen nieder und verschütteten das Bahnhofgebäude und 400 m Geleise. Der Vorstand und ein Güterarbeiter starben den Lawinentod. |
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1984 wurde zwischen Davos und Filisur der Streckenblock eingebaut und seit 1987 werden sämtliche Stationen auf der Strecke ferngesteuert. Die über 50jährigen Ge 4/4 I mit den Nummern 601-610 wurden ab 1986 in einem umfangreichen Erneuerungsprogramm der RhB umgebaut, ihre Leistung etwas erhöht und mit dem roten Anstrich versehen. Mit der Ge 4/4I Nr. 610 „Viamala“ ging 1991 die Umbauphase erfolgreich zu Ende. |
G 6/6 I auf dem Brombenzviadukt Foto:B. Studer/Slg. SVEA |
Seit Mitte der neunziger Jahre hat man versucht, über diese Strecke direkte Wagen des „Glacier-Express“ ab Davos und mit dem „Heidiland-Express“ ab Landquart via Davos-Filisur das Prättigau direkt mit dem Puschlav und Tirano zu verbinden. Nach der Beschaffung von Pendelzügen (Ge 4/4 I, Zwischenwagen mit Mitteleinstieg und BDt-Steuerwagen in eigener Werkstätte umgebaut) und Ausbau des Streckenblocks auf der ganzen Linie entstand nach aussen ein ganz neues Bild. Ab dem Fahrplanwechsel 2008 gab es Regio-Express-Züge von Landquart über Davos nach Filisur. |
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Das liebliche Landwassertal bei Davfos Frauenkirch mit einem Krokodil G 6/6 i unterwegs. Foto: B. Studer/Slg. SVEA |
Das moderne Zeitalter in Filsur: Ge 4/4 III 649, August 1998 Foto: H.R. Lüthy |
Während dem Bau des Vereinatunnels Ende des 20. Jahrhinderts diente die Linie Davos-Filisur den internen Gütertransporten, z. B. Bauzusatzstoffe und Bahnschotter, als kürzeste Verbindung zwischen den beiden Portalen Selfrange und Sagliains. |
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Ein Zug auf dem Wiesnerviadukt. Sammlung HR. Lüthy |
Eine kleine Episode zeigt, wie sehr die Bahn hier doch der Bevölkerung am Herzen liegt: In Filisur hätten am Bahnhof die 3 Stationsglocken beim Bahnhofumbau entfernt werden sollen. Dank einer Pettition erklingen die berühmtesten Signalglocken der RhB zur Freude der Bahngäste weiter. |
Die Strecke Davos-Filisur feiert ihr 100-jähriges Bestehen |
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(RhB) Am 1. Jui 1909 wurde die Strecke Davos – Filisur mit einem würdigen Volksfest in Betrieb genommen. Hundert Jahre später, am Wochenende vom 4. und 5. Juli 2010, lässt die Rhätische Bahn (RhB) das Ereignis nochmals aufleben – mit möglichst vielen Einheimischen und Gästen an Bord ihrer Sonderzüge und an den Festplätzen entlang der so genannten Zügenlinie. Das Festprogramm verspricht ein Feuerwerk an Überraschungen und Attraktionen. Quelle: RhB 27.06.2009 |
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Quellen |
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H. Hofmann : Der Bahnbau/Die Männer der Bauzeit und ihre Werke
Paul Caminada: Der Bau der Rhätischen Bahn Div. Autoren/Verlag Viafer: Das grosse Buch der Rhätischen Bahn Die Bündner Kulturbahn, 6. Jahrgang 2009 |
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Berichterstattung von HR Lüthy-Pavan Gestaltung von Franz Straka Juli 2009 |
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