Die Schöllenenbahn

Berichterstattung Hans Rudi Lüthy-Pavan, Gestaltung Franz Straka
Betriebseröffnung: 12. Juli 1917
Betriebslänge: 3.565 km
Stromart: 1.200 V Gleichstrom
nach Fusion mit FO: 700 V Wechselstrom
Spurweite: 1.000 mm
Zahnstangensystem: Abt
Max. Steigung: 179 ‰
Fusion mit der Furka-Oberalp-Bahn 1961
Schon bei der Projektierung der Gotthardbahn tauchte die Idee auf, eine Schienenverbindung mit dem Urserental herzustellen. In der Planung für die Gotthardbahn hatte man einen Tunneleingang bei Andermatt vorgesehen. Die Talschaft Urseren hätte damit ihre traditionelle, jahrhunderte alte Bedeutung im Gotthardverkehr beibehalten. Wegen der hohen Baukosten wurde aber ein solches Vorhaben mit einer Schleife ins Göscheneralptal fallengelassen. Bereits 1890 hatte der Berner Ingenieur Grussy ein Projekt einer Schmalspur-Zahnradbahn durch die Schöllenenschlucht vorgeschlagen.

HGe 2/2 Nummer 4 und BC4, BCF4 Waggons.
Foto: Sammlung SVEA


HGe 2/2 Nummer 4 und BC4 Waggon im Bahnhof Göschenen. Foto: Sammlung SVEA

Aber wie so viele andere Bahnprojekte scheiterte dieses an den Schwierigkeiten der Finanzierung. 1903 wurde durch den Ingenieur Richard Zschokke, zusammen mit den Firmen Gribi & Hasler in Burgdorf und Rothacker in St. Imier sowie dem Ingenieur Gasser, ein Konzessionsgesuch für eine schmalspurige Zahnradbahn nach dem System Strub von Göschenen nach Andermatt eingereicht. Es waren Steigungen bis maximal 210 ‰ vorgesehen. Die Konzession wurde durch den Bundesbeschluss vom 24. Juni 1904 wurde erteilt. Schon bald tauchten Probleme mit dem Militärdepartement und dem Natur- und Heimatschutz sowie den Fuhrmännern aus Göschenen auf. Die Gotthard-Pferdpost hatte schon durch den Bau des Gotthardtunnels seit 1882 zu leiden. Am 24. Juni 1912 wurde in Altdorf eine neue Gesellschaft konstituiert.

Bahnhofydille in Göschenen mit HGe 2/2 im Vordergrund. Foto: Sammlung SVEA
Der Gründung dieser Privatbahngesellschaft gingen langwierige finanzielle Verhandlungen voraus.Durch die Mithilfe der Firma Brown-Boveri in Baden und einem Bankenkonsortium konnte man schließlich an die Verwirklichung der Schöllenenbahn denken. Die Bauleitung wurde dem Ingenieur Zschokke übertragen. Die nach langen und mühsamen Kämpfen durchgesetzte Planung sah den Bau einer elektrischen Schmalspurbahn mit Zahnstangenbetrieb vom Bahnhof Göschenen durch das schluchtartige Schöllenental hinauf in die Ebene von Urseren nach Andermatt vor. Drei Tunnels und drei steinerne Brücken, eine große Lawinenablenkmauer und eine 210 m lange Galerie waren zu erstellen.
Forderungen der Militärverwaltung konnten danke einer Bundessubvention erfüllt werden. Über die Lieferung des zum Betrieb erforderlichen Gleichstroms von 1.200 V Spannung wurde mit dem Elektrizitätswerk Altdorf ein Vertrag abgeschlossen, womit dem Beginn der Bauarbeiten am 23. Mai 1913 nichts mehr im Wege stand.

HGe 2/2 Nummer 4 in voller Grösse.
Foto: Sammlung SVEA

HGe 2/2 Nummer 3. Foto: Sammlung SVEA
Im Hinblick auf den Anschluss in Andermatt an die Brig-Furka-Disentis-Bahn wurde das System Abt für den Zahnstangenbetrieb ausgewählt. Der geplante Anschluss an die Furkabahn musste von vornherein auch zu einer weitgehenden technischen Übereinstimmung der beiden Strecken führen, um später einen freizügigen Einsatz der Fahrzeuge zu erleichtern. Schlechtes Wetter, ein nicht vorhersehbarer Arbeitermangel verzögerten den Baubeginn im Jahre 1913 im den Bahnhof Andermatt Der plötzliche Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 hatte leider auch den beinahen Abbruch der Bauarbeiten zur Folge. Bis zum Juli 1914 waren über 600 Arbeiter verfügbar gewesen.

BCFeh 2/4 Nummer 41 der Schöllentalbahn mit FO-Gepäckwagen. Foto: Sammlung SVEA
Im September des gleichen Jahres standen mit spezieller Erlaubnis der Militärorgane nur noch 50 bis 70 Arbeiter zur verfügung. Auch 1915 gingen die Bauarbeiten nur sehr schleppend weiter. Der Fortschritt bei den einzelnen Bauobjekten war sehr unterschiedlich. Die steinernen Brücken waren bis auf die Bruckwaldbodenbrücke, an der noch zwei Bogen mit je 6 m Spannweite fehlten, vollendet. Die beiden eisernen Brücken warteten auf die Verlegung des Oberbaus. Viele Arbeiten wurden auch im Winter 1915/16
weitergeführt (vor allem im Abschnitt vom Urnerloch bis zum Bahnhof Andermatt). Da die Bahn eine ausgesprochene strategische Bedeutung hatte, wurde die Vollendung auch vom Generalstab, der ursprünglich eigentlich gegen die Bahn war, tatkräftig gefördert. Unter aktiver Mithilfe des Militärs konnte das Projekt schließlich zu Ende geführt werden. Die Kriegszeit verhinderte verständlicherweise eine größere Eröffnungsfeier

Seit 1942 gibt es einen Pendelzugverkehr bei der Schöllentalbahn mit BCFt 30, dahinter BCF 4 Jahrgang 1917 bei der Einfahrt in Andermatt. ca. 1945
Foto: Sammlung SVEA

Triebwagen BCFeh 2/4 Nummer 41 in Andermatt noch in den Farben der Schöllentalbahn. ca. 1954
Foto: H.R. Lüthy
Die Verantwortlichen ließen es daher mit einem bescheidenen Einweihungsfest am 11. Juli 1917 bewenden und am nächsten Tag wurde der Betrieb der Schöllenenbahn zwischen Göschenen und Andermatt aufgenommen. Die großen Kostenüberschreitungen, verursacht durch die Verzögerungen beim Bahnbau, hatten ein „finanzpolitisches Gewitter“ ausgelöst. Die Ersparniskasse Uri in Altdorf brach zusammen und der Verwaltungsratspräsident musste sein Amt sofort abgeben. Der Start der Bahn stand unter keinem guten Stern. Von Anfang an wirkten sich die vielen Einschränkungen im militärisch abgesicherten Gotthardgebiet nachteilig und hemmend aus.
In der Konzession war eigentlich nur ein Sommerbetrieb vorgesehen, doch wurde der Winterbetrieb 1917/18 sowie 1918/19 durch finanzielle Hilfe des Bundes ermöglicht. Nach dem Kriege gingen die Militärtransporte merklich zurück. Der Personenverkehr hatte sich durch schweizerische Touristen ordentlich belebt, doch war der Fremdenverkehr in den ersten Nachkriegsjahren gänzlich ausgeblieben. Die von Anfang an elektrisch betriebene Bahn hatte in der Schöllenenschlucht mehrmals mit dem harten Winter zu kämpfen.

HGe 2/2 Nummer 22 der FO ex. Schöllentalbahn Nummer 4 beim Rangierdienst in Andermatt. Juli 1968 Foto: H.R. Lüthy
Im Spätherbst 1919 brachten unglaubliche Schneemassen grosse Betriebsstörungen mit sich. Der Aufwand für die Schneeräumung brauchte die vorhandenen Mittel so rasch auf, dass der Bahnbetrieb am 25. Dezember 1919 gänzlich eingestellt werden musste. Bereits am darauffolgenden Tag übernahm wieder die Eidgenösische Postverwaltung die Beförderung von Personen und Gepäck auf eigene Rechnung.
Bei der Eröffnung stand folgendes Rollmaterial im Einsatz:
HGe 2/2 Nummer 1 – 4, erbaut durch SLM/BBC, 2 Triebmotoren, 2 Triebzahnräder, Dienstgewicht 25,1 t. Adhäsions max. 30 km/h, Zahnrad max. 20 km/h, Wagenmaterial: BC 4 Nr. 21-24 sowie BCF4 31-33
Das Wagenmaterial wurde durch die SWS Schlieren geliefert und war kurz vor Eröffnung nach Göschenen transportiert worden. Der Anstrich der Fahrzeuge war oben crème, unten blaugrau. Dazu waren noch K 51-51, Lk 61-62 und L 71-72 im Anschaffungsprogramm enthalten.

HGe 2/2 Nummer 2 mit Zugkomposition
in Göschenen. ca. 1950 Foto: Sammlung SVEA
Erst 1924 kam es zu einigen Verbesserungen: 2 Personenwagen wurden zur Sicherstellung der elektrischen Heizung während der kalten Jahreszeit mit Rutenkontakten ausgestattet und die vier Lokomotiven außerdem noch mit starken Glockensignalen versehen. Ab 1925 konnte die Schöllenenbahn endlich den Ganzjahresbetrieb sicherstellen. Da mit der 1926 auf ihrer gesamten Länge fertiggestellten Furka-Oberalp-Bahn (FO) nun in Andermatt auch Umsteigemöglichkeiten in Richtung Brig und Disentis bestanden,
eröffneten sich auch für die Schöllenenbahn bessere Aussichten. 1928 wurde die Verbindung der Schöllenenbahn mit dem Güterschuppen der SBB in Göschenen projektiert und ausgeführt. Nach der gelungenen Einführung des „Glacier-Express“ freundete sich die Leitung der Schöllenenbahn auch mit den Gedanken eines Wagenaustausches an, der sich vor allem auf Kurswagen der Furka-Oberalp - bzw. Visp-Zermatt-Bahn bezog. Als im ersten Kriegsjahr 1940 die Elektrifizierung der Furka-Oberalp-Bahn mit Nachdruck betrieben wurde und man auf die Auslieferung der bestellten elektrischen Lok wartete, wurden Stromart und Spannung der Schöllenenbahn für die Furka-Oberalp-Strecke von Andermatt zur Oberalp provisorisch übernommen (Umstellung auf Wechselstrom).
Wie so mancher anderen Privatbahn auch, verhalf der Zweite Weltkrieg der Furka-Oberalp-Bahn zu einem unverhofften Aufschwung. Kooperationsbestrebungen zwischen den beiden Bahnen gab es auch in der Fahrzeugbeschaffung, wie der gemeinsame Auftrag für den Triebwagen BCFhe 2/4 Nummer 41 (SLM/BBC) zeigt, der in grau-blau-crèmefarbigem Anstrich am 30. Mai 1941 in Göschenen in Betrieb genommen wurde. Der Triebwagen Nummer 42 gleicher Bauart und die Nummern. 44 + 45 für die FO folgten 1941/42. Mit einer maximalen Anhängelast von 15 t auf 179 ‰ vermochte der Triebwagen gerade einen

Heutige moderne Pendelzüge ab Göschenen nach Brig. Aufnahme in Göschenen. Foto: H.R. Lüthy Pavan
Vierachser zu befördern, was allerdings im Normalbetrieb genügte. Damit eine Pendelzugkomposition gebildet werden konnte, wurde der BCF4 Nr. 33 1942/43 in der SWS Schlieren mit einem Führerstand analog zu den Triebwagen ausgerüstet und erhielt die Bezeichnung BCFt4 30. Damit war ein Platzangebot von 72 Sitzplätzen sowie10 Stehplätzen in diesen Pendelzügen vorhanden (davon 24 in der damaligen gepolsterten zweiten Klasse). Eines der beiden Gepäckabteile wurde für den Gepäck-, das andere für den Posttransport verwendet.

Nach einer Entgleisung auf der Weiche zum Güterbahnhof Göschenen wir die HGe 2/2 Nummer 3 wieder aufgerichtet. Foto: Direktion FO/Slg. SVEA
Die Schöllenenbahn spielte auch im Zweiten Weltkrieg eine bedeutende Rolle, galt sie der Armee doch als die wintersicherste Verbindung zur Gotthardlinie. Die Militärtransporte hatten in den Kriegsjahren einen grossen Aufschwung gebracht. Mit Kriegsende im Jahre 1945 waren diese Leistungen ebenso rasch wieder zu Ende. Zu Beginn der fünfziger Jahre verstärkte der Ausbau der Schöllenenstrasse noch die Konkurrenz durch den Individualverkehr und ab 1956 rutschte die Schöllenenbahn in die roten Zahlen.
Immer enger mit dem Betrieb der FO verbunden, war der nächste Schritt die Fusion der beiden Bahnen, die im Jahre 1961 (Generalversammlungsbeschluss vom 29.7.1961) vollzogen wurde. Mit der Löschung des Firmennamens im Handelsregister hörte die selbständige Schöllenenbahn AG am 19. April 1962 zu bestehen auf. Die in das Vermögen der FO eingebrachte Schöllenenbahn hat auch seither mit ihrer Leistungsfähigkeit immer wieder überzeugt.
Die HGe 2/2-Loks wurden später für den Rangierdienst in Andermatt zurückgezogen oder teilweise auch ausrangiert (Lok HGe 2/2 Nummer 22 ex Nummer 2 im Jahre 1976, die HGe 2/2 Nummer 23 ex. Nummer 3 als letzte im Jahre 1982 abgebrochen) Alle vorhandenen Wagen und Loks erhielten den damaligen einheitlichen roten FO-Anstrich. Damit war die knapp 50-jährige Geschichte der Schöllenenbahn beende.

Schöllentalbahn - Pendelzug, Werkaufnahme
Foto: Sammlung SVEA
Mit der Übernahme der Furka-Oberalp-Bahn ist sie neu integriert und zu einem wichtigen Zweig geworden. Die heute geführten Pendelzüge der FO verkehren (ohne Umsteigen in Andermatt) von Brig nach Göschenen und erfreuen sich einer grossen Beliebtheit.
Quellen
Eisenbahn-Amateur 7/1992
Geschäftsberichte der Schöllenenbahn
Brig-Furka-Disentis von W. Heuberger, H.R. Schwabe und W. Werder
Furka-Oberalp-Bahn von K. Seidel
div. Unterlagen aus dem VHS Luzern
Lökeli-Journal 1/2000
Fotos: Sammlung SVEA u H.R. Lüthy
Text und Fotos: H.R. Lüthy-Pavan
Gestaltung: Franz Straka
Oktober 2009