Die Sernftalbahn (SeTB)

Berichterstattung von Hans Rudi Lüthy-Pavan, Gestaltung von Franz Straka
Technische Daten

Betriebseröffnung: 7. August 1905
Spurweite: 1.000 mm
Streckenlänge: 14,112 km
Min. Kurvenradius: 50 m
Maximale Steigung: 68 ‰
Stromsystem: 750 V Gleichstrom
Betriebseinstellung: 31. Mai 1969

CFe 2/2 Nummer 4 mit BC Beiwagen ca. 1946. Sammlung SVEA

Das Sernftal war vor 1825 nur über einen steilen Fussweg vom Glarner Haupttal erreichbar. Das im selben Jahr erbaute Strässchen verbesserte die Erschliessung nur unwesentlich. Erst eine neue Strasse – gut 30 Jahre später – schloss das Tal an die grosse Welt an. Im Sernftal entstanden einige kleine Industriebetriebe. 1859 wurde zuerst die Eisenbahnlinie Weesen-Glarus und 1879 über Schwanden bis Linthal eröffnet. In den Sernftaler Gemeinden Engi, Matt und Elm wurden Pläne geschmiedet, das Tal mit einer normalspurigen Eisenbahnverbindung zu erschliessen, was aber vorerst an den Rahmenbedingungen scheiterte. Das Aufkommen von elektrischen Strassenbahnen in der Westschweiz verlieh dem Eisenbahnprojekt neuen Aufwind. Der Sernftaler Ständerat Blumer aus Engi verfolgte das Projekt weiter und verstand es, die Idee einer Eisenbahn von Schwanden nach Elm der Bevölkerung schmackhaft zu machen.

Die Gemeinden versprachen erste Gelder, womit die Planung beginnen konnte. 1892 bewilligte die Glarner Landsgemeinde die Mitbenützung der Strasse durch die Bahn, die Nutzung der Wasserkraft, sowie die Übernahme von Aktien im Wert von 500.000.-- Franken. Nach mehreren Gutachten war 1903 das Projekt baureif und die Finanzierung dank grosszügiger Weitsicht des Kantons Glarus und der Anliegergemeinden gesichert. Mit der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) wurde ein Werkvertrag abgeschlossen. Die MFO vergab die Gleisbauarbeiten sowie die Erstellung der Hochbauten an lokale Baufirmen und die Kraftwerkanlage wurde von der Firma Bell & Cie. aus Krierns errichtet. Nur der bautechnisch schwierigere Abschnitt - die Steilrampe durch den Schwandenwald - wurde an die erfahrene Firma Locher & Cie. Zürich vergeben. Als Unterlieferant der Fahrzeuge fungierten die Maschinenfabriken Nürnberg (MAN), wobei der elektrische Teil der Triebwagen, wie auch die gesamte übrige elektrische Installation von der MFO selbst geliefert und montiert wurde.

CFe 2/2 Nummer 4 noch mit Lyrastromabnehmer, ca. 1946. Sammlung SVEA

Die alte Traktion vor der Sanierung, ca. 1946. Sammlung SVEA

Das grösste Bauwerk auf der Strecke war die Brummbachbrücke bei Matt mit 19 m Spannweite (Steinbogenbrücke). Auf der kurvenreichen Strasse durch den Schwandenwald wurde mit Steigungen bis zu 61 ‰ der Talboden von Engi erreicht. Kurz vor Elm, bei der Haltestelle Meissenboden, gab es sogar eine kurze Rampe von 68 ‰. In Engi-Vorderdorf wurden die Depot- und Werkstätteanlagen eingerichtet. Die Wagenunterstände wurden in Schwanden und Elm aufgestellt. Dank der kompetenten Bauleitung durch Ing. Keller konnten die Anlagen termin- und kostengerecht im Juli 1905 fertiggestellt werden.


CFe 4/4 Nummer 7, ca. 1946. Sammlung SVEA

Am 27. Juli 1905 wurde die amtliche Kollaudation durchgeführt. Ein Streik in den Maschinenfabriken Nürnberg verhinderte jedoch die rechtzeitige Anlieferung des Rollmaterials. Dadurch konnte die Sernftalbahn erst am 12. September 1905 feierlich eingeweiht werden. Der Bahn standen drei BCFe 2/2 Nummer 1 – 3, ein Gütermotorwagen Fe 2/2 Nummer 21 sowie drei Personenanhängewagen BC Nummer 11 – 13

und insgesamt neun Güterwagen zur Verfügung. Die Fahrzeuge waren anfänglich hellgrau mit blauem Zierstreifen bemalt. Der Strassenstaub setzte diesem Anstrich derat zu, sodass die Fahrzeuge später dunkelgrau mit grünblauem Zierstreifen umgefärbt wurden. Der Güterverkehr blieb anfänglich noch hinter den Erwartungen zurück, doch die Tendenz stimmte die Bahngesellschaft optimistisch, sodass bereits 1906 zwei weitere Gütertriebwagen beschafft wurden. Transportiert wurden vor allem Holz und die Erzeugnisse der lokalen Industrie (Weberei). Aber auch die Anlieferung von Baumaterialien geschah nunmehr per Bahn. Später wurden Schieferplatten und auch das Elmer Tafelwasser transportiert.

CFe 2/2 Nummer 4 nach der Modernisierung ca. 1952.
Foto: H. Hug / Sammlung SVEA

Alter und neuer Triebwagen im roten Farbkleid.
Foto: H. Hug / Sammlung SVEA

Der Personenverkehr war sehr grossen saisonalen Schwankungen unterworfen. Um vermehrt Touristen ins Glarnerland zu locken, wurde sogar eine bescheidene Werbekampagne lanciert. Der Erste Weltkrieg 1914-1918 stoppte die Reisemöglichkeiten der Touristen womit der Personenverkehr einbrach. Positiv entwickelte sicher der Güterverkehr, da die Bahn den Abtransport aus einem Steinbruch zu besorgen hatte. Nach dem ersten Weltkrieg beschafften sich viele Firmen aus Armeebeständen gebrauchte Lastwagen, um so die Transporte aus dem Sernftal selbst in die Hand nehmen zu können.

Dies traf die Bahn doppelt. Einerseits verlor die Bahn Transporte an die Strassenkonkurrenz, andererseits ergaben sich aus dem zunehmenden Verkehr auf der Talstrasse auch grössere Unterhaltsaufwendungen, da die Gleise durch die schweren Lastwagen stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Erfreulich entwickelte sich in den Zwanzigerjahren der Personenverkehr. So konnte im Jahre 1928 ein weiterer Triebwagen BCFe 2/2 Nummer 4 (SIG/MFO) angeschafft werden. In den 30er-Jahren gingen jedoch die Verkehrsleistungen massiv zurück. Die Weltwirtschaftskrise machte sich bemerkbar und die Touristen blieben aus. Aus diesem Anlass wurde 1939 vom Glarner Regierungsrat eine Studie in Auftrag


Station Elm mit CFe 4/4 Triebwagen 1959.
Foto: H. Hug / Sammlung SVEA
gegeben, um die Konsequenzen einer Betriebsumstellung zu prüfen (wie das bei anderen Schmalspur-Privatbahnen in der Schweiz um diese Zeit der Fall war). Die Resultate dieser Studie liessen jedoch wegen des Kriegsausbruch auf sich warten. Unterdessen bat der Verwaltungsrat der Sernftalbahn, auf Basis des neuen Eisenbahnhilfegesetztes von 1939 , den Bund um finanzielle Hilfe. Dieser wartete zunächst die Resultate der Studie ab.

BCFe 2/2 Nummer 4 neben Xe 2/2 Nummer 22 vor dem Depot in Engi-Vorderdorf. Sammlung SVEA
1945 war es dann endlich soweit, der Bund und der Kanton Glarus sagten Gelder für eine finanzielle und technische Sanierung der Sernftalbahn zu . (Die ebenfalls erwägten Trolleybus- und Autobuslösungen konnten sich nicht durchsetzen.) Damit konnte eine erste technische Sanierung eingeleitet werden. Bei SWS/MFO wurden drei moderne vierachsige Triebwagen CFe 4/4 Nummer 5 – 7 bestellt (Motorenleistung 4 x 100 PS / Höchst-geschwindigkeit 45 km/h, gegenüber 25 km/h der alten Triebwagen).

Bevor die neuen Triebwagen eingesetzt werden konnten musste die Fahrleitungsanlage durch die Firma Kummler & Matter erneuert werden. Auch gewisse Streckenabschnitte mussten mit neuen Geleisen versehen werden. 1949 konnten die drei neuen Triebwagen in Betrieb genommen werden. Neben den viel besseren Fahreigenschaften der vierachsigen Fahrzeuge konnte mit ihnen auch der Einmannbetrieb eingeführt werden. Die Fahrzeit verkürzte sich von etwa 52 auf rund 42 Minuten.


BDe 4/4 Nummer 5 in Engi-Vorderdorf.
Sammlung SVEA

BDe 4/4 Nummer 5 in Schwanden. Sammlung SVEA

Der alte Triebwagen BCFe 2/2 Nummer 1, welcher noch fast vollständig im Ursprungszustand war, wurde abgestellt und kam praktisch nie mehr zum Einsatz. Aus Teilen des CFe 2/2 Nummer 2 wurde in der Werkstätte ein modern wirkender Gütermotorwagen (Fe 2/2 Nummer 22) aufgebaut, welcher den alten Fe 2/2 Nummer 21 ersetzte. Der CFe 2/2 Nummer 3 wurde nach einem schweren Unfall 1925 neu aufgebaut und blieb wie der ähnlich aussehende CFe 2/2 Nummer 4 nach wie vor im Einsatz. 1952 wurde die Haltestelle Wart zur Kreuzungsstation ausgebaut und mit Rückfallweichen ausgerüstet. Aus den Beständen der ehemaligen Zugerland Strassenbahn (ESZ) konnten drei hervorragend erhaltene Personenwagen sowie Güterwagen erworben werden. Die Güterwagen wurden vor allem notwendig, da sich 1956 die einmalige Gelegenheit ergab, in Zusammenarbeit mit den SBB grosse Mengen an Rundholz aus dem Sernftal nach Schwanden zu transportieren.


BDe 4/4 Nummer 5. Foto: OeV

Wegen dem notorischen Geldmangel machte sich in den 50er-Jahren Zweifel über das Weiterbestehen der Sernftalbahn breit, sodass aus diesem und weiteren Gründen die Erneuerung eingestellt wurde. Dadurch wurde der Gleiszustand vor allem auf dem hinteren Streckenabschnitt von Jahr zu Jahr schlechter. Die Bahn musste alle Kräfte mobilisieren, um die Betriebssicherheit gewährleisten zu können. Auch die Strassenkonkurrenz wurde immer grösser,

denn die Bahn verlor etliche Gütertransportleistungen an billiger und flexibler operierende Lastwagenhalter. 1957 wurde wieder eine Studie zur Prüfung einer Umstellung auf den Autobusbetrieb in Auftrag gegeben, welche allerdings wieder für die Beibehaltung und Modernisierung des Bahnbetriebes sprach. Jedoch wurde auf dem Gemeindegebiet von Elm durch das Militärdepartement ein Panzerübungsplatz geplant. Für die Zufahrt der Panzer war die Strassenbahn schlicht und einfach im Weg, aber auch die engen Ortsdurchfahrten schienen ein unüberwindbares Hindernis zu sein.
Die Bevölkerung versprach sich zunächst einen wirtschaftlichen Aufschwung durch die Militärinvestitionen, doch die Stimmung schlug um, nachdem sich die militärischen Anforderungen immer deutlicher vor die zivilen stellten. Die Diskussionen zogen sich hin, so dass die Bahn 1965 unabhängig davon und gestützt auf das positive Gutachten erneut beim Bund um finanzielle Hilfe bat. Als dieser das Gesuch ablehnte, und getragen durch eine

BCFe 2/2 Nummer 1 und C 13 in den Anfangjahren und ursprünglicher Farbgebung vor dem Depot Engi. Foto: VHS Luzern / Slg. SVEA
neuerliche Expertise, die sofortige Umstellung auf Busbetrieb forderte, war das Ende der Sernftalbahn besiegelt. Die Glarner Landsgemeinde sprach sich 1967 ebenfalls deutlich für die Umstellung auf Autobusbetrieb aus. Die Bahn begann sofort mit der Umstellung des Güterverkehrs auf Lastwagen, um das Personal für Umschulungen frei zu bekommen. Doch der letzte Winter 1968/1969 stellte die Sernftalbahn noch einmal hart auf die Probe: Lawinenniedergänge verschütteten die Trasse an mehreren Stellen.

Triebwagen BDe 4/4 Nummer 5 als Lokalbahn - Einsatz Vöklermarkt-Attersee, als der Triebwagen
aus Beständen der AOMC 1992 erworben wurde.
Bild: E. Sommer / Slg.SVEA

CFe 2/2 Nummer 4 noch mit Lyrabügel. Bild: OeV

Mit grossen Anstrengungen konnte die Bahn für die letzten Monate wieder flott gemacht werden. Am 31. Mai 1969 schlug die letzte Stunde der Sernftalbahn. Zum letzten Mal rumpelten die Wagen über die vollkommen "ausgeleierten" Gleise von Schwanden nach Elm. Für etliche Fahrzeuge konnten Abnehmer gefunden werden: die modernen BDe 4/4 5-7 gingen an die AOMC (für die Talzüge Aigle-Monthey, heute TPC, 1985/1986 wurden sie an Stern & Hafferl in Österreich abgegeben), der Xe 2/2 Nr. 22 (ex Fe 2/2 Nummer 22) an die Oberaargau-Jura-Bahnen und der BDe 2/2 Nummer 4 fand bei der Museumsbahn Blonay-Chamby ein neues zu Hause. Fast das gesamte Wagenmaterial wurde verschrottet.

Quellen

Die Sernftalbahn/Eisenbahn.ch/Bericht von André Hügli
Eisenbahnamateur 9/2005/ Bericht von Hch. Hämmerli
Bilder aus der Sammlung SVEA z.T. VHS

Sernftalbahn-Museum in Engi Vorderdorf

Haben Sie uns schon besucht? Im April 2009 eröffneten wir das „kleine, aber feine“ Sernftalbahn-Museum in Engi Vorderdorf im ehemaligen Güterschuppen, ein wunderbarer Riegelbau, den wir herausputzten und nun der vor 40 Jahren eingestellten Schmalspurbahn in das abgelegene Bergtal der Sernf Schwanden – Elm mit der 1. Ausstellung „von damals, die letzten Jahre“ widmen. Der Start ist gelungen: die Eröffnung brachte einen Grossauflauf, nun ist ruhiger. Verbinden Sie einen Besuch bei uns mit einer Wanderung, einem Besuch im Naturkunde-Museum Engi oder im Landesplattenberg Engi.

Kommen Sie vorbei! Wir haben jeden 3. Samstag bis Oktober von 10 bis 16 Uhr geöffnet, also am 19. Juli, 16. August, 20. September sowie am 18. Oktober 2009 oder für Gruppen auch an anderen Terminen. Ein kleines Souvenirangebot ergänzt die Ausstellung. Das Restaurant Chly-Tal ex Bahnhöfli steht vis-a-vis. Bushalt Engi-Vorderdorf 10 Meter.

Quelle: Verein Sernftalbahn / Stand 2009 Kontakt: eisenbahnverlag@bluewin.ch

 
 
Text: H.R. Lüthy-Pavan
Gestaltung: Franz Straka
März 2009