Bergbahnen in Wien
Teil 2 - Die Drahtseilbahn auf den Leopoldsberg

Berichterstattung: Franz Straka und Dipl.-Ing.(FH) Markus Müller

Zur Wiener Weltausstellung 1873 sollten zwei Bergbahnen die Besucher anlocken: Die Zahnradbahn von Nußdorf auf den Kahlenberg und die Drahtseilbahn, beginnend nahe dem Kahlenbergerdorf auf den Leopoldsberg. Am 16. Juni 1872 erteilte man die Konzession für den Bau einer Drahtseilbahn sowie für den Betrieb auf 30 Jahren. Dieses Vorhaben wurde seitens des Kaisers rasch genehmigt, trotz alledem dieses Projekt größtenteils Neuland war (zur damaligen Zeit existierte nur die „Ofener Seilbahn“ in Budapest auf dem Gebiet der Monarchie).


Ansicht der Bergstation mit dem zweistöckigen Personenwagen
Am 16. Jänner 1873 übertrug man die Konzession an die österreichische Bergbahngesellschaft (Firmensitz in Wien, Franzensring Nr. 24), die es sich wiederum zur Aufgabe machte, weitere Bergbahnen zu errichten. Einige Monate vergingen und am 19. Juli 1873 trafen sich mehrere „k.k. Ober-Inspektoren“ mit den Vertretern der Bau-Union sowie der österr. Bergbahnen, worauf am 26. Juli 1873 die polizeilich-technische Prüfung mit positivem Bescheid erfolgte. Viele Besucher der Weltausstellung besichtigten ebenfalls die Bauarbeiten an der Bahn.
Die Wiener Bevölkerung sah diese Konstruktion jedoch als gefährlich an und war daher eher distanziert. Man nannte sie auch „Zuckerlbahn“, da sie vor dem Anhalten noch einen „Zucker“ (Ruck) machte. Bei der Eröffnung der Weltausstellung am 1. Mai 1873 war entgegen den ursprünglichen Pläne noch keine der Bahnen in Betrieb. Erst am 27. Juli 1873 nahm nur die Drahtseilbahn den Betrieb auf, wobei von 27.Juli bis 15. November 1873 bereits ca. 300.000 Personen befördert wurden.
Ansicht der Talstation mit Personen- und Tenderwagen

Dieses hölzerne Führungsrad des Stahlseils ist im Bezirksmuseum Döbling zu sehen
Die Standseilbahn hatte eine Spurweite von 1895 mm und das Prinzip beruhte auf einer Zwei-Wagentechnik (wenn sich ein Waggon in der Bergstation befindet, befindet sich der andere in der Talstation). Die Strecke verlief von der Talstation bis zur Elisabethwiese wobei sie eine Länge von 725 m mit zwei leichten Kurven (Radius 2.000 m) aufwies. Das Gebäude der Talstation barg eine große Kassenhalle und eine prächtige Treppe zum Mittelperron in sich, wo abwechselnd die Waggons ankamen.
Das Maschinenhaus befand sich auf der Bergstation, wo die komplette Steuerung sowie das Kesselhaus mit einem Schornstein (der wiederum zu damaligen Zeiten nicht in die Landschaft passte) untergebracht war. Wasser und Kohle mussten mit zwei Tenderwagen auf den Berg transportiert werden. Die zwei Personenwagen wurden von der Hernalser Waggonfabrik gefertigt, wobei zu damaligen Zeiten hohe Ansprüche an das Fassungsvermögen gestellt wurden (100 Plätze pro Waggon). 
Mauerreste der Talstation

1876 besiegelte einerseits ein Erdrutsch die Weiterführung der Bahn, andererseits übte die Konkurrenz (Kahlenbergbahn) starken Druck aus. Durch den großen Verlust 1875 von 551.000 Gulden wurde bei einer Generalversammlung am 28.April 1876 beschlossen, die gesamte Anlage an die Kahlenberg Eisenbahn - Gesellschaft zu verkaufen. Der Umtausch der Aktien erfolgte im Verhältnis 4:1. Das Unternehmen nannte sich nun „Österreichische Bergbahn Gesellschaft - Drahtseilbahn auf den Leopoldsberg“.


Blick auf den Einschnitt in Richtung Tal
Die Gesellschaft beschloss, die Bahn auf den Leopoldsberg einzustellen. Damit gab es keine Konkurrenz mehr zur Zahnradbahn. Im Mai 1877 baute die Brigittenauer Maschinenbaufirma die Waggons ab, um sie zu verwerten. Die Ziegel vom Maschinenhaus wurden im Jahre 1887 für den Bau der Stephanie-Warte auf dem Kahlenberg verwendet. Die Pläne stammten von den Bauherren Feller und Hellmer.

Im Jahre 1927 gab es Pläne, eine Seilschwebebahn nach Vorbild der Raxbahn zu errichten. Ingenieur Fogowitz (der Erbauer der Mariazellerbahn) wurde mit den Planungen betraut, jedoch wurden sie nicht in die Realität umgesetzt. Das Objekt der Talstation wurde von einem Weingut genützt und erhielt an der Fassade die Aufschrift „Donauwarte“. Das Gebäude bestand noch bis 1973 zwischen Kahlenbergerdorf und Klosterneuburg - Weidling. Leider fiel es der Straßenverbreiterung zum Opfer, obwohl es in der heutigen Zeit einen historischen Wert hätte.

 


Dieser Hanganschnitt zeugt ebenfalls noch von der Standseilbahn

Technische Daten
 
Spurweite: 1895 mm
Streckenlänge: 725 m
Höhenunterschied: 248 m
max. Steigung: 340 ‰
Fahrgeschwindigkeit: 1,06 Meilen/h
Durchmesser der Seiltrommel: 6,9 m Seildurchmesser: 53 mm (114 Litzen)
Leistung der Dampfmaschine: 250 PS
Leergewicht d. Waggons: 15 t

Quellen:

Unvergessene Kahlenbergbahn
Autor: Hans Peter Pawlik
Verlag: Slezak
ISBN 3-85416-191-3

"Döbling und Währing“ - Wien in alten Ansichtskarten
Autor: Helmut Kretschmer
Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Felix Czicke
Verlag: Europ-Bibliothek
ISBN 90-288-3154-1

Wiener Bergbahnen
Autoren: Richard Heinersdorff
Herausgeber: Helfried Seemann, Christian Lunzer
Album-Verlag
ISBN 3-85164-105-1

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Bergbahnen im Wienerwald
Autor: Martin Fuchs
Verlag: Eigenverlag
ISBN 3-870944-150-2

Was dampft da auf den Kahlenberg?
Autor: Martin Fuchs
Verlag: Eigenverlag
ISBN 3-9501257-6-0

Bemerkung zu den historischen Bildern: Da wir trotz zweimaligen Telefonats mit Herrn Seemann bezüglich der Verwendung von Fotos aus dem Buch "Wiener Bergbahnen" keinen Rückruf (wie vereinbart) erhielten, haben wir uns erlaubt, die Bilder im Rahmen der künstlerischen Freiheit als Zeichnungen darzustellen.

  

Franz Straka
Dipl.-Ing.(FH) Markus Müller

Juni 2006